Der erste grössere Bau mit überregionaler Ausstrahlung, den Gion A. Caminada in seinem Heimatdorf Vrin im Val Lumnezia errichten konnte, war die Mehrzweckhalle. Das schlichte, rechteckige Volumen schliesst mit einem Verbindungstrakt an das Dorfschulhaus aus dem Jahr 1963 an, Ausrichtung und die Dachform sind identisch. Erst im Innern wird die kühne Konstruktion sichtbar. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Jürg Conzett entwickelte Caminada ein leichtes Hallentragwerk, welches die hohen Schneelasten abfängt und den Innenraum trotzdem mit einer filigranen Tragstruktur bereichert. In Anlehnung an eine von Robert Maillart im Jahr 1924 errichtete Lagerhalle in Chiasso wurde eine als 3-Gelenkbogen-Konstruktion realisiert, die 13 Meter überspannt. Die Last wird pro Gespann über fünf Zugbänder aus Nadelholz auf die Pfosten geleitet. Die Verbindung erfolgt mit Stahlplatten und Bolzen. Seitlich ragen die Stahlplatten über die Pfosten und damit auch über die Aussenwand hinaus. Caminada integrierte sie in die durchgehenden, vorgesetzten Kastenfenster, brachte so Architektur und Konstruktion in Einklang und das Dachwerk zum Schweben. Im Nebenraum ist eine Küche angesiedelt, ausserdem kann eine Bühne mittels Schiebetoren zum Hauptraum addiert und die Mehrzweckhalle in einen Theatersaal verwandelt werden. Das einzige Fenster auf Augenhöhe ist gegen Westen gerichtet und bietet Blick auf die Greina. Die vielseitige Mehrzweckhalle stellt damit eine Symbiose zwischen Ingenieurskunst und Architektur dar und ist Beispiel einer ästhetisch und funktional hervorragend umgesetzten, interdisziplinären Bauaufgabe.
Neues Bauen in den Alpen, 1999
Architekturpreis für Bauökologie, 1997
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